Kultusministerium Sachsen behindert Konjunkturpaket II für Niederfrohna - Fragen an den Bürgermeister Niederfrohnas

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, welche Erfahrungen haben Sie mit dem so genannten »Konjunkturpaket II« gemacht, mit dem Bundes- und Landesregierung seit Ende 2008 eine schnelle Soforthilfe für die heimische Wirtschaft starten wollten?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Unsere Erfahrungen werden leider von Verzögerungen und ständigen Veränderungen der Ausführungsbestimmungen überschattet. Gerade jetzt, als wir nach Monaten angestrengter Antrags-Arbeit endlich auf die Realisierung der Projektanträge hofften, wurden die Antragsfrist wieder einmal um eine Woche verlängert, und damit Entscheidungen hinausgeschoben. Einen vereinfachten Verfahrensablauf, wie er in einer gesonderten Verwaltungsvorschrift (VWV) angeordnet wurde, hat es für uns nicht gegeben. Statt dessen haben meine zwei Verwaltungsmitarbeiterinnen wertvolle zusätzliche Zeit aufbringen müssen, da das Konjunkturpaket bei uns nur ein “rein in die Kartoffeln - und - raus aus den Kartoffeln“ ankam. Ständig wurden Kriterien gewechselt und die Anforderungen verändert.

Aber hat sich die Mühe für die Gemeinde wenigstens gelohnt?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Unsere drei eingereichten Projekte sind:

l. Rekonstruktion, Sanierung und energetische Sanierung der Schulturnhalle;
2. Rekonstruktion der ehemalige Industriebrache Kupfer/Trikotex;
3. Energetische Sanierung SVN Turnhalle Jahnburg.

Diese wurden nach umfangreichen Prüfungen vom Landkreis bestätigt. Zudem hat uns der Landkreis, was für den Antrag zur Rekonstruktion der Schulturnhalle wichtig war, eine mittel- und langfristige Bestandsgarantie für unsere Schule gegeben..

Heißt das, dass diese Projekte jetzt realisiert werden können?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Nein, denn an diese Überprüfung schließt sich eine Überprüfung durch das Kultusministerium und die so genannte » Sächsische Aufbau-Bank* an. Und diese Gremien schickten uns nun eine Ablehnung des Projektes Sanierung Schulturnhalle, obwohl die Einschätzung der Gemeinde und des Landkreises die dringende Notwendigkeit der Sanierung begründen.

Mit welcher Begründung erfolgte die Ablehnung?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: In Abhängigkeit von den Zahlen der Einwohnermeldeämter werden Prognosen über künftige Schülerzahlen erstellt. Für 2010 hat man in Dresden 14 Schüler vorhergesagt. Es müssten aber nach den Ministeriums-Vorgaben 15 sein.

Sicher sitzen in Dresden Fachleute, die von Prognosen etwas verstehen, und die Prognosen in den vergangenen Jahren waren alle richtig?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Nein, in den letzten 4-5 Jahren lagen die Prognosen für die Schulnetzplanung immer um 2-5 Schüler daneben, d.h. am Ende hatten wir immer deutlich mehr Schüler als die Prognosen »vorhergesagt« hatten.

Habe ich richtig gehört, man verweigert die dringende Reparatur einer Schulturnhalle. Ich erinnere mich an die Titelseite der Freien Presse vom 6.5.2009. Dort stand zu lesen, dass Mediziner und Wissenschaftler darauf verweisen, dass sich Sachsens Kinder zu wenig bewegen. Sie haben selbst das Bewegungs-Programm für Vorschulkinder aus der Taufe gehoben. Wie ist Ihnen angesichts solcher Ablehnungen durch die Bürokratie zu Mute?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Ich bin sehr enttäuscht von der Fähigkeit zum Krisenmanagement des Freistaates. Im Unterschied zu den Bürokraten arbeiten Gemeinderat und ich ehrenamtlich. Zunächst wurden wir vom Freistaat dazu aufgerufen kurzfristig Projekte zu benennen, die für ein Anti-Krisen-Sofort-Programm geeignet seien. Das haben wir gemacht. Selbst die ständigen Veränderungen in den Anforderungen konnten meine zwei Verwaltungs-Mitarbeiterinnen noch erfüllen. Die Ablehnung gerade der Renovierung der Schulturnhalle hat uns jedoch die Sprache verschlagen. Einerseits haben wir ein grundsätzliches Bewegungsdefizit der Kinder. Dazu kommt aber, dass unsere Schule Ganztagsangebot ermöglicht und die Turnhalle in diesem Zusammenhang für sportliche und andere Aktivitäten dringend benötigt. Zudem ist Niederfrohna eine sehr sportliche Gemeinde. In den Abendstunden nutzen Feuerwehr und Freizeitsportler die Schulturnhalle, weil die Kapazität der Turnhalle Jahnburg schon lange nicht ausreicht.

Wie war die Reaktion des Kultusministeriums-Vertreters?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Er pochte auf die Zahlen-Prognose und zeigte keinerlei Interesse an einem Kompromiss bzw. an der Situation in unserer Gemeinde.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Zunächst gehen wir aus den genannten Gründen in den Widerspruch zum Ablehnungsbescheid. Gleichzeitig hoffen wir immer noch, dass wenigstens die zwei anderen Projekte im ersten Anlauf genehmigt werden. Wir werden für die Projekte kämpfen, auch, um uns am Ende nicht vorwerfen lassen zu müssen, dass wir die bereitgestellten Fördermittel nicht beantragt hätten. Aber gleichzeitig verlieren wir immer mehr Zeit.

Die Bundes- und Landesregierung hatte aber mit dem »Konjunkturpaket II« und einem großen Werbeaufwand Erwartungen bei Handwerk und Gewerbe geweckt. Wie sehen Sie die Wirkung dieses Programmes?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Als Sofortmaßnahme gegen die Krise kann man das Programm nach den vielen Verzögerungen und Einschränkungen kaum noch bezeichnen. Selbst ein kleiner Impuls für das heimische Handwerk und Gewerbe, der gerade jetzt notwendig ist, bleibt bislang immer noch aus.

Wo sehen Sie eine Alternative?

Bürgermeister Klaus Kertzscher: Angesichts der Überforderung der Bürokratie in solchen Situationen muss man sagen, dass wir besser gekommen wären, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nach einem Pro-Kopf-Schlüssel an Städte und Gemeinden ausgereicht worden wären. Die Kommunen wissen selbst am besten, wo das Geld am dringlichsten hätte eingesetzt werden können. Da bedarf es keiner »Fachleute« aus den Zentralen, die die örtlichen Verhältnisse sowieso nicht kennen. Aber für die kontinuierliche Arbeit der Städte und Gemeinden bedarf es grundsätzlicher Änderungen in der Finanzausstattung: Es muss endlich der größte Teil der Steuereinnahmen vor Ort bleiben. Die teuren Verwaltungen, die sich über den Kommunen aufgebaut haben, die müssen drastisch abgebaut werden. Kontrolle der Gemeinden muss natürlich sein. Aber Eigenverantwortung in den Kommunen funktioniert nur, wenn die Kommunen auch über die wichtigen Prozesse selbst entscheiden können. Es kann nicht gut gehen, wenn die Obrigkeit sich das Entscheidungsrecht nimmt und den Kommunen die Verantwortung auflädt. Das Resultat dieses Verfahrens ist eine organisierte Verantwortungslosigkeit.

Aber in diesem Jahr sind zahlreiche Wahlen. Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger von Niederfrohna, ich bitte Sie darum, von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Schauen sie sich die tatsächliche Politik der Parteien vor Ihrer Wahlentscheidung genau an, vergleichen Sie die konkrete Wirkung auf das Leben in Kommune und Familie mit der jeweiligen Parteien-Werbung. Auch auf die Parteien muss man den Maßstab anlegen, den Altbundeskanzler Kohl einst entwickelte: entscheidend ist, was hinten rauskommt!

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, vielen Dank. für das Gespräch.

Niederfrohnaer Heimatblatt (ae-19.05.09)

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