Galgenlinde

Dies war an einem Frühlingstag vor einigen hundert Jahren.Der Wind zog über die Felder und es roch nach guter Erde.

Von Kaufungen und Bräunsdorf strömten viele Bauern und Häusler auf die Höhe des Malzteiches zu.
Es sah so aus, als wenn am Malzteich ein Fest sein würde, aber die Leute sahen nicht so aus, als würden sie zu einem Jahrmarkt gehen, nein sie sahen traurig und nicht lustig aus.

Kein Lachen war zu hören.Die meisten gingen schweigend und in tiefen Gedanken.Nur wenige sprachen und aus ihren Worten konnte man hören, was Schlimmes geschehen würde.Am Galgen sollte ein Mensch sterben.Von ihm glaubte man, daß er ein Dieb sei.Er selbst aber sagte, daß er unschuldig sei.Aber die Richter hatten ihr Urteil gefällt.Er sollte am Galgen sterben.

Der Galgen erhob sich halb auf Kaufunger und halb auf Bräunsdorfer Flur. Mit Augen,die weit offen standen voller Angst,Schreck und Verzweiflung,sah der Verurteilte seinem sicheren Tode entgegen.Als man ihm nochmal das Urteil vorlas, wie das Gesetz es vorschrieb, schrie er voller Verzweiflung,so daß man es weit in der Runde hören konnte:”Ich bin unschuldig!Habt Erbarmen!Wollt ihr einen Unschuldigen hängen?” Die Richter aber hielten ihn für schuldig.Ihre Gesichter blieben hart und starr.In den unbewegten Mienen war keine Gnade zu erkennen.Da wußte der Unglückliche,daß er verloren war.Als aber der oberste Richter dem Henker das Zeichen gab, stieß der Angeklagte ihn zur Seite, bückte sich, riß ein kleines Lindenbäumchen aus dem Boden, grub hastig ein Loch und steckte es mit den Blättern in die Erde.Stumm und verständnislos sahen es die Richter.Staunend und erregt blickten die rundum stehenden Dörfler.Keiner wußte, was das bedeuten sollte.Der zum Tode Verurteilte , sah sich im Kreise um und rief mit lauter Stimme: ”So wahr die Linde - mit den Zweigen in die Erde gepflanzt wurzeln,wachsen,blühen und gedeihen wird,so wahr bin ich unschuldig.So sicher werdet ihr einen Unschuldigen ermorden!” Schon hörte man einzelne der Umstehenden rufen:”Laßt ihn frei!”Erwartungsvoll schauten alle auf den Richter.Doch dieser hob mit finsterer,grausiger Miene zum zweiten Male die Hand.Nun waltete der Henker aus Penig seines grausigen Amtes.
Das Lindenbäumchen jedoch trieb in demselben Jahr noch Knospen und Blätter aus den Wurzeln.In der Folge wuchs es auf zu einem hohen Baume mit mächtigem Stamm und mit breiter Krone, in der die Blätter wie tausende von grünen Herzen hingen.Der Baum hieß fortan die Galgenlinde.